Vor Kurzem erschien in der HuffPost ein interessanter Artikel von Tracy Gillet mit dem Titel „Wie wir das Leben unserer Kinder zerstören, ohne es zu merken“.1 Sehr reißerisch war mein erster Gedanke, nach genauerem Hinsehen wurde ich aber ordentlich wachgerüttelt.
Der Artikel bezieht sich auf eine Studie und dem dazugehörigen Buch Simplicity Parenting 2 von Kim John Payne, in der das Leben von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom untersucht und stark VEREINFACHT wurde.
Ihr kennt das ja alle, heutzutage bekommt man den Eindruck, dass fast jedes Kind an einer ADHS, also Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung, leidet. Doch woher kommt diese ADHS und Unruhe von unseren Kindern? Ich hatte lange eine Vermutung … die Studie scheint diese zu bestätigen.
Kim John Payne fand heraus, dass Kinder selbst wenn sie aus wohlbehüteten, gut situierten Familien stammten, oft mit erheblichen Problemen zu kämpfen hatten. Sie zeigten
“die gleichen Verhaltensweisen (…) wie die Kinder, die er in Kriegsgebieten beobachtet hatte.“3
Als Ursache dafür sieht er, knapp zusammengefasst, eine Überforderung mit dem „Überfluss“ in dem unsere Kinder groß werden: zu viele Informationen, zu viele Aktivitäten, zu viele Erwartungen, zu viele Spielsachen, und das alles viel zu schnell! 4 Die Verhaltensweisen die sich in Kindern dadurch entwickeln und die wir mit verschiedenen Wörtern, Syndromen und sogar Krankheiten zu beschreiben versuchen, ergeben sich aus ihrem Versuch heraus mit dieser sie irritierenden, schnellen Welt umzugehen: „Kriegsschauplatz Kindheit“ sozusagen!
Ziemlich heftig, wenn man so etwas liest und einem plötzlich bewusst wird, dass vielleicht auch der eigne Nachwuchs mit vielem stark überfordert ist.
Lasst mich überlegen: Aktivitäten im Sinne von zu vielen Kursen können meine Kinder eher nicht überfordern. Bis jetzt nämlich wurden noch nie irgendwelche Kurse belegt. Ich selber wuchs in meiner Kindheit auch ohne sogenannte „Frühförderung“ auf. Erst spät begann ich mit Klavier und Badminton, nämlich zu dem Zeitpunkt als ich selber Interesse dafür entwickelt hatte. Zugegeben, manche Dinge sollte man vielleicht doch früh beginnen um darin gut zu werden. So wurde aus mir leider kein Mozart, aber ich kann immerhin einen Studienabschluss in Sprachen, mittelmäßige Sportlichkeit und noch einige andere Fähigkeiten vorweisen. Kurz gesagt, ich komme super klar, auch ohne Frühförderung.
Was meine Kinder durchaus überfordern könnte, ist wiederum die große Menge an Spielsachen, die die Kleinen besitzen. Das Wort „besitzen“ finde ich sagt hier schon alles aus! Was braucht ein Kind für ein „Hab und Gut“ außer Zuwendung und ein liebevolles Umfeld? Wahrscheinlich nicht viel…
Und auch wenn ein Großteil unserer Spielsachen schon uralt ist, sozusagen aus dem Dachbodenfundus, wo alles über Jahrzehnte gesammelt wurde, zu viel ist zu viel und daran glaube ich sollten wir wirklich arbeiten. Eine Maßnahme wird jedenfalls sein, Großeltern, Tanten und Onkeln in ihrem „Schenkbedürfnis“ zu zügel. Und auch dem Osterhasen muss dringend verklickert werden, dass 6 Eier und ein Schokohase als Geschenk völlig ausreichend sind!
Mir schwebt dazu auch schon eine erste Idee vor, die ich versuchen werde in meiner Familie umzusetzen: ich dachte daran ein Puzzle mit vielen Teilen zu kaufen, die ich an all diejenigen, die unsere Kinder regelmäßig beschenken, verteilen könnte. Jedesmal wenn sie etwas schenken möchten, können sie den Kindern ein oder mehrere dieser Teile geben, bis das Puzzle schließlich fertig ist. So könnte, meiner Vorstellung nach, zumindest die „Zwischendurchschenkerei“ etwas gestoppt werden.
Und was schlägt Kim John Payne eigentlich für ein „entschleunigtes“ Aufwachsen unserer Kleinen vor?
Im Wesentlichen nennt er hierfür vier Punkte:
- Ein klares nicht überladenes Umfeld
2. Einen gewissen Alltagsrythmus, der vorhersehbar ist und somit Sicherheit liefert
3. „Stundenpläne“ auch lockern und dem „Jetztsein“ einen Raum schaffen
4. Kindern vor zu starkem Einfluss von Medien, Konsum als auch „Erwachsenenproblemen“ fern halten 5
Hört sich doch alles einfach umsetzbar an, nicht wahr? Natürlich wäre da auch noch ein großes, gesellschaftliches Umfeld, das genau diese Prinzipien wahrscheinlich eher nicht lebt, also vielleicht doch nicht so einfach umsetzbar?
Einen Versuch ist es aber auf alle Fälle wert! Schließlich geht es um unsere Kinder und für die wünschen wir uns alle natürlich das Beste!
Ich hoffe ihr konntet ein paar Anregungen mitnehmen! Bis zum nächsten Mal,
Liebst eure Lily
PS: Einen weiteren interessanten Artikel zum Thema, nämlich „Wie viel Spielzeug braucht ein Kind?“ findet ihr auch hier.
NACHTRAG: Dieser Artikel ist vor circa 2 Jahren entstanden. Auch ich habe mittlerweile Erfahrungen mit ADS, ADHS und Ähnlichem gemacht und bin mir sicher, dass diese ich nenne sie mal „Erschwerungen des Alltags für einige Kinder„ auch genetische Faktoren haben. Nichtsdestotrotz kann ich an meinem eigenen Umfeld feststellen, dass sich genau diese Kids mit weniger Dingen und mehr Struktur irgendwie besser zurechtfinden. Ich kann und mag natürlich nicht für alle sprechen, bei uns ist es jedoch definitiv so. :* <3
1, 3, 4 http://www.huffingtonpost.de/2016/03/17/leben-kinder-probleme_n_9486398.html
2 http://www.simplicityparenting.com/
5 http://www.simplicityparenting.com/the-movement-an-overview/
Danke für diesen Beitrag, insbesondere über das Thema Spielzeugüberschwemmung werde ich mal intensiv nachdenken.
Liebe Grüße
Gerne Michaela, ich musste es auch. Ist nicht immer einfach bei der derartigen Überflutung … glg
Ich stamme aus einer über mehrere Generationen kinderreichen Familie und bewundere bei dieser Lektüre einmal mehr, wie diszipliniert meine Eltern, Onkel, Tanten und Grosseltern während meiner Kindheit beim Schenken waren (Ostergeschenke gab es nicht – ausser dem Hasen und den 6 Schokoeiern – zwischendurch schon gar nicht und zu Weihnachten und zu Geburtstagen gab es stets Absprachen zwischen den Verwandten…).
Inzwischen sind wir eine Generation weiter und ich bin selbst eine von fünf Tanten und Onkeln (dazu kommen ebenso viele Partner derselben) meiner älteren und mindestens vier Tanten und Onkeln meiner jüngeren Nichte. Die ältere der beiden ist vorgestern 2 geworden… und ich habe – nicht zum ersten Mal – grosse Mühe in Sachen Geschenk, weil es mir einfach zu viel erscheint, wenn ich dem Drang nachgäbe, mit zwei Paar Grosseltern, Uroma und meinen Geschwistern und Schwagern konkurrenzieren zu wollen (auch über diesen „Drang“ gilt es nachzudenken, denn ich glaube nicht, dass ich damit alleine bin!).
Vermutlich wird es, wenn ich so darüber nachdenke, darauf hinauslaufen, dass es kein Geschenk von mir gibt… stattdessen mag ich das gesparte Geld für die ein oder andere Deutschlandreise aufwenden, um meine Schwestern und ihre Familien – die alle mehr oder weniger weit weg wohnen – zu besuchen.
Liebe Grüsse,
Kathi „Keinstein“
Danke für deine offenen Worte, wir leben einfach in einer Gesellschaft wo alle viel zu viel haben. Meine Kids besitzen Massen an Spielzeug (alles noch alt von uns selber), aber schockierenderweise sind diese „massen“ noch wenig wenn ich in andere Kinderzimmer blicke….alles schwierig, aber ich gebe mir Mühe und du tust es ja auch…Nachdenken ist schon mal ein super Schritt <3